2019 11 22 Fehlende Zellprogrammierung fhrt zu Hodentumoren groKeimzellen aus einem 13,5 Tage alten Mäuseembryo, der kein Dazl bilden kann. Die grüne Fluoreszenz zeigt, dass die Zellen pluripotent sind; ein Merkmal, das sie im Normalfall nach 10,5 Tagen einbüßen. © Prof. Dr. H. Schorle/Uni Bonn

Ob sich eine Embryonalzelle zur Fortpflanzungszelle entwickelt, entscheidet sich deutlich später als bislang gedacht. Das zeigt eine Studie unter Federführung des renommierten Whitehead-Instituts in den USA, an der die Universität Bonn maßgeblich beteiligt war. Bei manchen Zellen bleibt diese Festlegung augenscheinlich ganz aus. Aus ihnen können in der Pubertät mit hoher Wahrscheinlichkeit Hoden-Tumoren entstehen. Das Paper ist in der Zeitschrift PNAS erschienen.

Jeder Mensch besteht aus 100 Billionen Zellen. Die meisten von ihnen sind streng spezialisiert: In der Magenschleimhaut scheiden sie Salzsäure und Enzyme aus, im Gehirn übernehmen sie die Verarbeitung elektrischer Impulse. Sie sind wie ein Heer von Arbeitern, die in völlig unterschiedlichen Berufen tätig sind. Welchen davon sie ergreifen, entscheidet sich sehr früh: Das Schicksal der Zellen wird schon während der Embryonalentwicklung festgelegt. Und zwar unwiderruflich – aus einer Magenzelle kann natürlicherweise niemals eine Hirnzelle werden.

In der dritten Schwangerschaftswoche wird am hinteren Ende des Embryos ein Teil der Zellen für eine Spezialaufgabe abgezweigt: Sie werden zu „primordialen Keimzellen“ (abgekürzt: PGCs) und wandern in der Folgezeit in die Gonadenanlagen ein. Aus ihnen gehen später Spermien und Eizellen hervor. Ursprünglich dachte man, dass auch diese Entscheidung mit der Bildung der PGCs besiegelt ist. „Es gab jedoch immer mehr Anzeichen, die dagegen sprachen“, erklärt Prof. Dr. Hubert Schorle von der Abteilung Entwicklungspathologie der Universität Bonn.

Bei einem Aufenthalt am Whitehead-Institut in den USA, einer mit dem MIT assoziierten Einrichtung, konnte Schorle zusammen mit seinen dortigen Kollegen nun zeigen, dass die PGCs nicht zwangsläufig auf eine Karriere als Fortpflanzungszell-Produzenten festgelegt sind. „Stattdessen erfolgt die endgültige Determinierung augenscheinlich erst, nachdem sie die Gonaden – aus denen sich Hoden oder Eierstock entwickeln – erreicht haben“, erläutert der Biologe.

Dazl programmiert Zellen auf ihr Schicksal

„Wir haben gezeigt, dass ein Protein namens Dazl, welches in den PGCs nach Erreichen der Gonadenanlagen produziert wird, für diese Festlegung verantwortlich ist“, betont Prof. Schorle. „In Mäusen, die kein Dazl bilden können, unterbleibt die Determinierung. Es reicht aber, PGCs kurzzeitig dem Protein auszusetzen, um sie zu programmieren.“ Dazl sorgt dafür, dass in den PGCs die so genannten „Pluripotenz-Gene“ abgeschaltet werden.

Allerdings entgehen immer wieder einige primordiale Keimzellen dieser Programmierung. Sie reifen nicht endgültig aus, sondern verbleiben in einem pluripotenten Stadium. In der Pubertät können sich aus ihnen – vermutlich unter dem Einfluss der Geschlechtshormone – Keimzelltumoren des Hodens oder (seltener) des Eierstocks entwickeln. Manche dieser bösartigen Wucherungen enthalten völlig unterschiedliche Gewebetypen – ein Resultat ihrer Pluripotenz und Hinweis darauf, dass die Ursprungszelle noch nicht zur Keimzelle programmiert war. Andere Tumoren erscheinen wie die PGCs selbst weitgehend undifferenziert.

Keimzelltumoren gehören zu den häufigsten Krebsarten bei Männern zwischen 15 und 35 Jahren. „Unsere Ergebnisse zeigen aber, dass man sie wohl eher als Embryonalzell-Tumoren bezeichnen müsste“, erklärt Schorle. Auf die Behandlung der Erkrankung hat das zunächst einmal keinen Einfluss. „Die Studie zeigt aber, dass die Weichenstellung zur Erkrankung bereits in der frühen Embryonalentwicklung erfolgt“, betont der Biologe. „Mittelfristig könnten aus diesen Erkenntnissen neue Therapieansätze erwachsen.“

Publikation: Peter K. Nicholls, Hubert Schorle, Sahin Naqvi, Yueh-Chiang Hu, Fan Yuting, Michelle A. Carmell, Ina Dobrinski, Adrienne L. Watson, Daniel F. Carlson, Scott C. Fahrenkrug and David C. Page: Mammalian germ cells are determined after PGC colonization of the nascent gonad. PNAS, DOI: www.pnas.org/cgi/doi/10.1073/pnas.1910733116

Kontakt:

Prof. Dr. Hubert Schorle
Institut für Pathologie der Universität Bonn
Tel. 0228/28716342
E-Mail: Diese E-Mail-Adresse ist vor Spambots geschützt! Zur Anzeige muss JavaScript eingeschaltet sein!

2019

18 Apr 2019 16:03

Bonner Spendenparlament fördert Kunsttherapie für Krebspatienten am UKB

Weiterlesen...
25 Apr 2019 02:00

Eine erhebliche Weiterentwicklung der Krebsmedizin sowie eine Patientenversorgung auf höchstem Niveau.

Weiterlesen...
02 Mai 2019 02:00

Pitt Niehusmann berichtet als Fellow der Stiftung Michael am Uniklinikum Bonn über seine aktuelle Forschung

Weiterlesen...
15 Mai 2019 02:00

Deutscher Olympischer Sportbund und die Deutsche Krebshilfe würdigen Zusammenarbeit

Weiterlesen...
13 Jun 2019 02:00

 Uni-Bonn-Ausgründung Clickmer Systems erhält 1,7 Millionen Euro. Unterstützung vom Life Science Inkubator

Weiterlesen...
05 Aug 2019 02:00

Prof. Alexander Mustea leitet jetzt die Frauenheilkunde und Gynäkologische Onkologie am Universitätsklinikum Bonn

Weiterlesen...
05 Sep 2019 02:01

Neue Therapien, Pflege, Ernährung und Sport bei Krebs

Weiterlesen...
09 Sep 2019 02:01

Universitätsklinikum Bonn bietet forschungsnahe Diagnostik und Therapien beim Karzinom der Vorsteherdrüse

Weiterlesen...
25 Sep 2019 02:01

Thema: Lunge – stark, sensibel, unterschätzt

Weiterlesen...
09 Okt 2019 19:00

Familien-SCOUTs unterstützen Familien mit krebserkranktem Elternteil aus Bonn und der Region / Pressetermin

Weiterlesen...
14 Okt 2019 02:01

Pharmazie-Fachschaft organisiert zum fünften Mal den Blutspende-Marathon am Universitätsklinikum Bonn

Weiterlesen...
24 Okt 2019 02:01

Strategische Partnerschaft soll weiter ausgebaut werden

Weiterlesen...
28 Okt 2019 01:01

Wissenschaftsrat stellt UKB und der Medizinischen Fakultät der Exzellenzuniversität Bonn ein hervorragendes Zeugnis aus

Weiterlesen...
02 Nov 2019 01:01

Studie unter Beteiligung der Universität Bonn liefert neue Erkenntnisse zur Entwicklung der Keimzellen

Weiterlesen...
12 Nov 2019 01:01

Bonner Stadtsoldaten unterstützen „Snoezel-Wagen“

Weiterlesen...
13 Nov 2019 01:01

Die Klinik für Urologie und Kinderurologie macht auf das Thema #Männergesundheit aufmerksam

Weiterlesen...
19 Nov 2019 01:01

Pharmazie-Fachschaft organisiert den Blutspende-Marathon am Universitätsklinikum Bonn

Weiterlesen...
04 Dez 2019 01:01

Neues Orbita-Zentrum am Universitätsklinikum Bonn gegründet

Weiterlesen...
20 Dez 2019 11:19

Bislang größte Metastudie über die Akute Myeloische Leukämie

Weiterlesen...
© 2024 CIO Bonn